Ich hab lange nichts mehr geschrieben, der Grund ist einfach: integrAlltag.
Kaum Phasen der Reflexion: eine Verpflichtung verwandelt sich in die nächste im kontinuierlichen Strom des Lebens.
Dabei ist mein Alltag ganz abwechslungsreich. Zunächst mal ist da das Studium (Philo/Anglistik/Kunst).
Dieses Semester ist Pflichtprogramm angesagt. Scheine abhaken, bevor es Studiengebühren hagelt. Der Himmel ist bereits düster und es braut sich da was Kostspieliges zusammen. Also ranhalten und bloß nicht zu breit studieren. Langsam begreif ich, warum Wilber die Bedeutung von UR-Faktoren neuerdings so unterstreicht...
Als Kurse hab ich grad "Gadamer:Wahrheit und Methode", "Schelling:Philosophie der Mythologie", "Transkulturalität und Recht", "Ästhetische Theorie des 20. Jh." und zwei Sprachkurse für Anglistik. Alles ziemlich leseintensiv, so daß ich immer hinterherhechele, um einigermaßen vorbereitet auflaufen zu können. Vor dem sich im weiter ausbreitenden Horizont des Wissens sind die Versuche der Durchdringung auch nur eines Fachgebietes in der Spanne einer Lebensdauer geradezu auf putzige Weise heroisch zu nennen.
Das Wissen alles Wißbaren durch eifriges Lesen zu ergattern ist so töricht, wie den Ozean in einem Schluck austrinken zu wollen. Und doch: ins Zen-mäßige gewendet ist dies die große Aufgabe. Aufgabe im doppelten Wortsinn. Denn was uns aufzugeben aufgegeben ist, ist der zwanghafte Greifreflex unseres Geistes: als ob dadurch sich Glück und Frieden auf Dauer einstellten. Der Griff geht ins Leere. Doch diese Leere engeht dem greifenden mind in seiner Fülle, die nicht faßbar, sondern nur ein Hauch von No-thing ist. Ich las neulich den Begriff "No-How" (keinen Plan haben, keine Vorstellungen hegen) als Beschreibung eigentlicheren Wissens, im Gegensatz zu "Know-How".
Montags mach ich dann mit Steffi noch einen Yoga Kurs (Hatha und Nidra) bei einem ziemlich smoothen Typ namens Christian. Es ist angenehm, wenn Lehrer ihre Lehre verkörpern (was nebenbei bemerkt die beste Definition von "Lehrer" ist). Unglaublich, wie sich das in puncto Dehnbarkeit (ich bin Fußballer!!!) und Geschmeidigkeit auswirkt. Der Sonnengruß ist mittlerweile in mein morgendliches Praxisprogramm gerutscht ( 3x vor dem Sitzen). Auch Pranayama (Atemübungen) haben unmittelbare Effekte. Empfehlenswert.
IntegrAlltag pur: Nebenjob, schuften in diesem Laden hier: http://www.moeller-frischdienst.de/index.htm
Das ist ein Kühllager mit Molkereiprodukten, wo ich in interkultureller Atmosphäre (Russen, Italiener, Deutsche) für 7,50 Eur/Std Rollcontainer mit Waren zusammenstelle, die dann im norddeutsche Raum ausgeliefert werden. Vorteil: flexible Arbeitszeiten und den coolsten Vorgesetzten wo gibt. Guiseppe Verdi, Italiener, Inter Mailand-Fan hoch 18, notorischer Charmeur und selbsternannter Fußball-Gott (Spruch: "Der Ball muß kleben am Fuß - wie mit Pattex!" mit todernstem Blick, während er sich zur Verdeutlichung auf den Fuß klopft). Sensationell. Der Typ hat seine Seele an die Firma verkauft - arbeitet md. 50-60 Stunden die Woche. Workaholic-Samsara zum Anfassen.
Ich hingegen bringe es auf mickrige 6-8 Stunden die Woche. Und das reicht mir voll und ganz. Integrale Aspekte dieses Jobs sind die real-life-Studien von real-life-Menschen in ihrem engen Horizont mit gewöhnlichen Problemen. Mann, das erdet vielleicht. Das erdet manchmal so sehr, dass ich froh bin, wieder zur Abwechslung in den luftigen Höhen des Studiums um abstrakte Allgemeinheiten zu kreisen. Nicht zu vergessen der körperliche Aspekt: es ist ein kostenloses Work-Out Programm, Arme-Bauch-Bein-Po, sozusagen.
Dann spiele ich noch selber Fußball in einem Kreisliga-Verein. www.sv-dreye.de Momentan allerdings nicht, nachdem ich mir im März beim Hallentraining den Mittelfuß angebrochen hab und seitdem die Rückserie für mich gelaufen ist. Ärgerlich. Mache jetzt Krankengymnastik und kämpf mich für die nächste Saison wieder ran.
Kürzlich waren wir in Hamburg bei Eli Jaxon Bear, dem Autor des Buches "Das spirituelle Ennegramm" (sehr empfehlenswert). Das war zugleich meine erste Satsang-Erfahrung. Ich muß sagen, dass es mir gut gefallen hat. So gut, dass wir am zweiten Tag noch mal hingefahren sind. Ich hatte keine ausschweifende Erfahrung oder so was, aber die Atmosphäre hat mich doch berührt. Zugleich ist es Anstoß für mich gewesen, mich noch mal näher mit Vedanta, Ramana Maharshi, Selbstbefragung und dergleichen zu befassen.
IntegrAlltag: das nächste iMove Treffen steht ins Haus und ich werde noch einiges vozubereiten haben.
Zudem bewerben Steffi und ich uns bei diversen Studienförderungen um Unterstützung für den kommenden Aufenthalt im Boulder (Februar-Mai 2006). Dieser Trip erscheint mir wie die Zuspitzung meines Lebensthemas, eine Art Pilgerfahrt, bei der ich keine Ahnung habe, was ich dann im Anschluß hier noch zu tun haben werde. Es scheint alles so unwichtig und zweitrangig zu sein. Die Hoffnung ist, dass ich danach wissen werde, wohin die Reise für mich gehen soll. Die Angst ist, dass ich es dann immer noch nicht weiß. Aber auch diese Angst erscheint zweitrangig für ein Bewußtsein, dessen Ausdenung niemals enden wird.
Genug sinniert. Der Alltag ruft und ich bin hörig.
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